Karstadt-Filiale von Schließung bedroht

Berliner Morgenpost | 23.06.2023 |Norman Börner

Der Standort in der Wilmersdorfer Straße ist kaum noch zu halten. Mitarbeiter kämpfen dennoch für das Traditionshaus

Berlin Andreas Werner nickt noch zustimmend, als sich zwei Zuhörerinnen bei einer Podiumsdiskussion im Stadtbüro des Linken-Abgeordneten Niklas Schenker im Publikum direkt an ihn wenden. Es sei tapfer, wie die Karstadt-Mitarbeiter der von der Schließung bedrohten Filiale in der Wilmersdorfer Straße um den Erhalt kämpfen. „Dieses Traditionskaufhaus muss geschützt werden und darf nicht schließen“, ruft eine aufgebrachte Frau. Es ist dem Betriebsratschef der Filiale anzumerken, dass ihm die nächsten Worte nicht leicht über die Lippen kommen „Die Gräben sind so tief, dass es wahrscheinlich so weit kommt“, sagt er.

Auch die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Kirstin Bauch (Grüne), wird während der Diskussionsrunde am Mittwochabend mit Gewerkschaftsvertretern von Verdi, dem Betriebsratsvorsitzenden Andreas Werner und Lokalpolitikern aus dem Bezirk deutlich. „Es ist sehr spät. Ich sehe nicht, dass wir noch viel machen können“, sagte die Bezirksbürgermeisterin. Bauch hatte in den vergangenen Wochen versucht, zwischen dem Eigentümer des Gebäudes in der Wilmersdorfer Straße und Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) zu vermitteln. Ohne Erfolg. „Wenn zwei Parteien nicht verhandeln wollen, wird es schwierig“, sagte Bauch. Die Knackpunkte: ein fehlendes Konzept für den Weiterbetrieb der Filiale seitens GKK, unterschiedliche Vorstellungen über die Verkaufsfläche und vor allem die Miete.

Während der ersten Insolvenz ist der Eigentümer des Gebäudes, Redevco, der Kaufhauskette nach eigenen Angaben weit entgegengekommen. In der Diskussionsrunde war die Rede davon, dass GKK nur 60 Prozent der ortsüblichen Miete zahlen muss. Der Vermieter strebe künftig eine Verdopplung an. Auf Nachfrage teilt das Unternehmen mit, dass es sich über die Höhe der gegenwärtigen Miete nicht äußern wolle, man aber weiter bereit sei, Gespräche mit GKK zu führen. Die Fortführungskonzepte müssten aber vertrauensvolle wirtschaftliche Perspektiven aufzeigen.

Für Andreas Werner gibt es so ein Konzept längst. Galeria 2.0 heißt es. Inhalt: überarbeitetes Angebot, mehr Online, weniger Verkaufsfläche. „Das könnte ich mir am Standort vorstellen“, sagte Werner. Allerdings brauche ein Kaufhaus dann doch mindestens 6000 Quadratmeter. Redevco habe zuletzt immerhin 4000 Quadratmeter angeboten, sagte Bauch. Aber sie machte auch deutlich, dass die Miete für den Eigentümer ebenfalls ein entscheidender Punkt sei. „Ich kann viel diskutieren, aber der Eigentümer will mehr Miete.“ Die Hoffnung mag zwar klein sein, aber ganz aufgegeben haben Betriebsrat und Gewerkschaft noch nicht. „Es gab Häuser auf denen schon ‘geschlossen’ stand, die noch gerettet wurden“, sagte Ralph Thomas aus dem Fachbereich Handel der Gewerkschaft Verdi in Berlin. So wurde in dieser Woche die Weiterführung der ursprünglich ebenfalls zur Schließung vorgesehenen Filiale an der Düsseldorfer Schadowstraße gesichert.

Aber nach mehreren Streiks vor der Niederlassung und vor dem Charlottenburger Rathaus scheint Gewerkschaft und Belegschaft die Luft auszugehen. Viele Mitarbeiter hätten bereits neue Jobs gefunden. In den kommenden drei Monaten würden viele Angestellte von Bord gehen und in eine neue Stelle starten.

„Ihnen kommt zu Gute, dass wir aktuell einen Arbeitnehmerarbeitsmarkt haben“, sagte Werner. Er machte aber auch deutlich, dass die wenigsten der Mitarbeiter im Einzelhandel bleiben werden. Die Löhne seien in dieser Branche einfach zu gering. Mehr als 2.400 Euro brutto pro Monat würden kaum geboten. „Davon kann heute keiner mehr leben“, sagte Werner. Viele würden daher in anderen Bereichen ihr Glück suchen.

Es blieben die „Alteingesessenen“. Ein harter Kern von langjährigen Angestellten, teilweise nahe dem Renteneintritt, die den Laden zusammen mit 520-Euro-Kräften am Laufen halten würden. „Sie haben es schwer, woanders unterzukommen. Sie brauchen jetzt unsere Unterstützung“, sagt Werner. Diese Hilfe soll dabei auch aus der Politik kommen. Land und Bezirk seien gefragt. So wurde von Diskussionsteilnehmern angeregt, dass Mitarbeiter in den unterbesetzten Bezirksämtern Berlins eine neue Stelle finden könnten.

Die Landes- und Bezirkspolitik sei der letzte Anker der Hoffnung, die Filiale noch zu erhalten. Bezirksbürgermeisterin Bauch wolle dazu zeitnah Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) um Hilfe bitten. Giffey teilte zuletzt auf Anfrage mit, sie sei mit Verdi und dem Handelsverband im Austausch. Wegner habe sich bisher nicht geäußert.